In Bewegung

Fünf Jahre dauerten die Vorbereitungen, dann legte die Artisana los. Sie wollte die Krankenkasse für das Baugewerbe sein – doch das war nur der Anfang.

In der Regel, so hielt Walter Siegfried 1965 fest, «werden Protokolle schubladisiert». Trotzdem scheine es ihm notwendig, die Gedanken und die Wege, die zur Gründung der Artisana führten, in knapper Fassung festzuhalten. Damit die kommenden Generationen sich ein Bild über «Daten und Ereignisse der Geburtswehen» machen könnten, erklärte der erste Zentralverwalter der Krankenkasse.

Dieser Vorausschau ist zu verdanken, dass die Entstehung der Artisana detailreich dokumentiert ist. Sie beginnt 1947, Siegfried ist damals Geschäftsführer bei der «Krankenfürsorge Winterthur», Sektion Baugewerbe Bern. Zuvor hatten sich Gewerkschaften und der Schweizerische Baumeisterverband darauf geeinigt, dass die Arbeitgeber zwei Prozent des Bruttolohns an die Krankenversicherung des Arbeitnehmers zahlten. «Jede Gewinnüberweisung nach Winterthur steigerte in mir den Wunsch, diese Gelder einzig und allein unseren Arbeitnehmern im Baugewerbe zukommen zu lassen und sie nicht einfach im allgemeinen Topf der Krankenfürsorge verschwinden zu lassen», protokollierte Siegfried.

Doch eine Lösung zu finden war nicht einfach. Eine Kollektiv-Krankenversicherung dieser Art war neu, die Idee stiess nicht überall auf offene Ohren. Es brauchte fünf Jahre, Dutzende von Gesprächen, rechtliche Abklärungen, eine Umfrage im Baugewerbe und eine Unterschlagungsaffäre bei der Krankenfürsorge, bis es schliesslich so weit war: Die Baumeister wollten eine eigene Krankenkasse gründen. Artisana sollte die neue Kasse heissen, angelehnt an das französische Wort «Artisanat» für Gewerbe.

Am 20. Mai 1952 traf sich eine Gruppe von zehn Männern – allesamt aus dem Baugewerbe – im Restaurant Räblus in Bern und hob die Artisana aus der Taufe. «Eigenes Geld stand der Neugründung natürlich nicht zur Verfügung. Deshalb mussten die Gründer vorerst durch Verbürgung von Fr. 400'000.- Sicherheit leisten», erinnerte sich Walter Siegfried. Diese blieb indes unangetastet, die Artisana konnte sich von Anfang an mit den Prämieneinnahmen über Wasser halten. Schon im ersten Geschäftsjahr schlossen sich rund 300 Betriebe an. Das Versprechen, die vollen Leistungen sollten den versicherten Arbeitern zugutekommen, überzeugte.

Zehn Unterschriften, sieben maschinengeschriebene Zeilen: Das Gründungsprotokoll der Artisana.

«Am Abend schmerzten die Ohren vom ununterbrochenen Telephonieren und der Schädel brummte», schrieb Zentralverwalter Siegfried über die Anfänge der Kasse, «denn schliesslich war die ganze Sache auch für mich und die Baumeister neu, und noch mehr war sie es für die Bauarbeiter, die die neue Situation kaum fassen konnten. Ein Krankengeld bei Krankheit, ohne dass sie selbst eine Versicherung abschliessen mussten, war für sie etwas fast Unglaubliches. Es kam gelegentlich zu Episoden, deren Schilderung einen amüsanten Band füllen würden.»

Bald wuchs die Artisana auch über ihre Berner Stammlande hinaus und ausserhalb des Baugewerbes: Sie hatte Bewegung in die Krankenkassenlandschaft gebracht. Choco-Suisse, Mechanikermeister, Möbelfabrikanten – sie alle gehörten der Kollektiv- Kasse an. In den ersten Jahren, so Walter Siegfried, hätte es dem Artisana- Präsidenten noch Vergnügen bereitet, die Vorstandsmitglieder und Delegierten, mit «Liebi Kollege» anzusprechen. Jetzt habe der Präsident die Anrede zu «Liebi Delegierti » ändern müssen. «Sie sind ihm wirklich alle lieb», betonte Siegfried, denn alle seien überzeugte Verfechter der Idee einer eigenen gewerblichen Krankenkasse.

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